KUNST HEUTE 2024
Inselkirche Kirchdorf Insel Poel
SIEGLINDE MIX
Rauminstallationen
„DIE KIRCHE NICHT IM DORF LASSEN“
Bis ins späte Mittelalter hinein wurden neue Siedlungen in enger Zusammenarbeit mit der Kirche gegründet.
Die Kirche war im Dorf verwurzelt und Kristallisationskern neuer Siedlungen.
Aus dieser Zeit stammt auch die Redewendung
„Die Kirche im Dorf lassen“
... lasst es uns nicht übertreiben, es geht auch kleiner
… man möge sie dort lassen wo sie traditionell gewachsen ist
Die Kirche in Kirchdorf auf der Insel Poel steht seit über 800 Jahren, eine Gemeinschaft ist gewachsen und wächst.
Ein Ort, der Raum gibt zu sein mit allen Hoffnungen und Wünschen, der Schutz bietet.
Ein Ort der Begegnung, beweglich und offen und in der durch die Gemeinschaft und durch die Rituale Geborgenheit entsteht.
Gleichzeitig ist es auch ein Ort, der Raum gibt über sich selbst hinaus denken zu können.
Der offen ist für neue auch kritische Gedanken, der es erlaubt über das eigene Bewusstsein hinaus größer zu denken.
Der Titel der Installation „Die Kirche nicht im Dorf lassen“ meint, die Kirche nicht als eine starre Institution zu betrachten.
Die Kirche ist ein Ort, an dem Geschichten erzählt werden, die auch heute noch eine Gültigkeit haben. Es gilt nur, sie richtig zu übersetzen, sie aus einem zeitgemäßen Blickwinkel zu betrachten
Die Installation ist ein Versuch die Zeiten und die Menschen zu verbinden.
Die Bänder, die aus den Kuppeln fallen, ein Dach bilden, zu den Bänken gespannt werden und in den Bankreihen weiterlaufen verbinden symbolisch : den Himmel mit der Erde, die Menschen mit- und untereinander über Konfession und Nationalität hinweg.
Laudatio Dr. Petra Schulz
Rauminstallation „Die Kirche nicht im Dorf lassen“
Zwischen Menschen, zwischen Menschen und Dingen, Erzählungen, Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft bestehen Verbindungen, lassen sich Verbindungen knüpfen.
Bänder können Symbole dieser Verbindungen sein.
Die Bänder - hier sind sie leicht und zart, weiß und rein. Die Schönheit der Bänder, ihre Formation und Anordnung, lässt staunen.
Diese Bänder können als Projektionsfläche dienen für Verbindungen vielerlei Art. Verbindungen können leicht und zart sein. Sie können aber auch schwer lasten wie Ketten. Sie können Fesseln sein oder stützender Halt. Sie können geknüpft und zerschnitten werden. Sie können reißen. Und wieder geknotet werden. Sie können Halt geben oder festbinden. Sie können Luft abschnüren oder als freie Möglichkeit ergriffen werden.
Bindungen wandeln sich, Verbindungen unterliegen Wandlungen.
Wandlung ist DAS Thema der Künstlerin Sieglinde Mix.
Wandel kann verunsichern. Angst machen. Vielleicht soll alles lieber so bleiben wie es ist. Mit den Bändern, den Bindungen, Verbindungen, Beziehungen. Alles sollte beim Alten bleiben. Man sollte die Kirche im Dorf lassen! Keine Experimente!
Auf das Potential der Wandlung verweist Sieglinde Mix in ihrer Kunst.
Kokons, Verpuppungen, geformt aus vielerlei Material/Stoff, sind für sie ein Symbol für dieses Potential der Wandlung. Aus dem Kokon, aus der verpuppten Gestalt, schlüpft nach einer Zeit der Reife, etwas Neues, Lebendiges.
Kann das im Innern Wachsende nicht durch die Hülle brechen, nicht ausbrechen aus dem Kokon, wird es letztlich darin verenden.
Mit dem Titel der Installation „Die Kirche nicht im Dorf lassen“ klingt, um im Bild zu bleiben, die Möglichkeit des Schlüpfens aus dem Kokon einer engen verkapselten Welt an.
Die Installation von Sieglinde Mix mit dem Titel „Die Kirche nicht im Dorf lassen“ spannt Bänder, Verbindungen zu neuen Möglichkeiten und Erfahrungen, Experimenten
Die lateinischen Worte für Erfahrung und Experiment sind nahe Verwandte.
Experimentieren mit neuen Verbindungen außerhalb des Dorfes. Verkapselte, verpuppte Geschichten aufbrechen lassen und neu erzählt ins Freie entlassen.
Das Experiment, der Versuch, bei dem Neues erprobt wird, braucht Inspiration. Braucht einen neuen Geist, etwas, das entzündet, entfacht und Neues, neue Erfahrung aus sich heraussetzt.
Inspiration lässt sich nicht an einen Ort bannen. Inspiration braucht Weite, Offenheit, Luft zum Atmen.
Der Geist weht ja bekanntlich, wo er will –
und öffnet den Raum für neue Verbindungen – zwischen Menschen, Menschen und Dingen, Erzählungen, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.